Für Hausaufgaben, Tests, Klassenarbeiten, Vörträge und mehr brauchen Schüler natürlich jede Menge Energie. Seit 19 Jahren können sie diese Energie jeden Tag in Form des Mittagessens bei Frau Böcker schöpfen. Morgen nun am 28.02.2018 ist Frau Böckers letzter Arbeitstag am Heinrich-Hertz-Gymnasium.

Im Folgenden ein Interview mit Frau Böcker als Rückschau auf 45 Jahre Berufsleben, davon immerhin 19 Jahre an unserer Schule.

Wir werden Sie sehr vermissen und wünschen Ihnen viel Freude auf Ihrem weiteren Weg.

 

Interview von Philipp Landwehr mit Gabriele Böcker

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P. Landwehr: Hallo Frau Böcker, sie waren die letzten 19 Jahre bei uns an der Schule und haben so gut wie jeden Tag das Essen ausgegeben. Nun verabschieden Sie sich in den Ruhestand und ich möchte Ihnen im Namen der gesamten Schülerschaft dafür danken, dass sie über all die Zeit so gut wie wirklich jeden Tag dafür gesorgt haben, dass wir Schüler Mittags eine warme Mahlzeit zu uns nehmen konnten. Aus diesem Grund haben wir ein Interview mit Ihnen vorbereitet. Am besten wir legen gleich los. Sie haben lange bei uns gearbeitet, was werden Sie am meisten vermissen?

G. Böcker: Also eigentlich vermisse ich den Umgang mit meinen Essenskindern, das ganze Umfeld wird mir auch sehr fehlen. Egal ob Hausmeister-Ehepaar, ob der Direktor Herr Hupe, der vorher da war, oder die Frau Pfeil, also ich habe mich eigentlich hier sehr wohl gefühlt, sonst wäre ich nicht so lange hier gewesen. Da bin ich schon traurig – das fehlt mir.

P. Landwehr: Also man kann schon sagen, dass der Umgang mit Menschen bzw. den Schülern wirklich ein Grund dafür war, dass Ihnen der Beruf Spaß gemacht hat.

G. Böcker: Ja! Ich wollte immer eigentlich was mit Kindern machen, das hat jedoch leider nicht so geklappt mit Kindern. Ich hab dann erstmal Diätköchin gelernt, war 26 Jahre im Klinikum und die restlichen Jahre bei Appetito, hier im Heinrich-Hertz-Gymnasium.

P. Landwehr: Und hier gefällt es Ihnen?

G. Böcker: Hier gibt es den Umgang mit Jugendlichen und Kindern, was ich schon immer wollte. Ich bin jedoch auch wie eine Mutter, ich mache meinen Spaß, aber ich kann, und da musste ich mich auch erst dran gewöhnen, auch mal durchgreifen. Das haben die Kinder gewusst, wie sie mich nehmen können, dass ich manchmal auch „Alter“ gesagt habe, was man eigentlich nicht sagt (lacht). Sie wissen „Frau Böcker ist eben so, sie meint es aber nicht so und kann aber auch in manchen Situationen durchgreifen.“ Ich kann ein Kumpel sein, aber sie müssen eben auch auf mich hören.

P. Landwehr: Ich denke, das ist auch wichtig, ohne geht es nicht.

G. Böcker: Nein, denn sonst würde man ja alles durchgehen lassen.

P. Landwehr: Denn wenn man nur streng ist, dann isst man halt nicht gerne mit. Aber wenn man nur nett ist, dann ist es auch nicht so optimal.

G. Böcker: Das kam auch von den Kindern zurück. Ich meine die vermissen mich auch ein bisschen, sage ich (lacht). Manche sagen, „Och, können Sie nicht noch da bleiben?“ Deshalb habe ich mich hier wirklich wohl gefühlt. Das wird ein sehr trauriger Abgang.

P. Landwehr: Was hat sich besonders stark verändert, seitdem Sie begonnen haben hier zu arbeiten.

G. Böcker: Früher gab es das Essen am Schalter, da haben die Kinder noch Essensmarken gehabt, jedoch versuchten sie auch manchmal zu bescheißen, wie überall. Und dann, das war auch ein paar Jahre noch, hat die Stadt dann das Essen abgegeben und zur Essenausgabe mussten sich Leute bewerben, und so kam dann Appetito heraus. Das Essen selber und was zur Aufbereitung nötig ist, gab es vorher schon. Die Arbeit am Schalter hab ich auch gern gemacht, da war ja der Kontakt zu den Kindern noch näher, ob sie weniger oder mehr haben wollen.

P. Landwehr: Die ganzen Sonderwünsche.

G. Böcker: Ja, genau. Ich konnte es dann ein bisschen variieren. Mache wollten weniger vom dem, manche wollten mehr. Das konnte ich dann nach den Wünschen der Kinder machen.

P. Landwehr: Ein bisschen weniger Möhren, mehr Schnitzel …

G. Böcker: Naja, da gab es aber auch nur eine bestimmte Portion für jeden Schüler. Und dann kam dieses Buffet, jedoch weiß ich nicht, wann genau das war. Das wurde zuerst in der Europaschule ausprobiert, ist gut angekommen bei den Grundschülern und dann haben sie sich gedacht, „Warum probieren wir es nicht auch mal an Gymnasien?“ Und es ist eigentlich auch gut angenommen worden von den Schülern.

Allerdings sind später auch etliche abgesprungen, als während der Küchensanierung die Buffet-Form wieder weichen musste und wir zeitweise das Essen wieder auf Tellern ausgeteilt haben. Die sind auch nicht wieder gekommen. Also da bin ich sehr traurig, dass ich den Kindern nicht weiter rüberbringen konnte, dass es doch eigentlich wichtig ist, eine warme Mahlzeit zu essen. Ich würde mich freuen, wenn von den neuen Schülern, von den Fünftklässlern, wieder mehr essen, dass die Essenszahl mal mehr würde. Aber mehr als reden und sagen …

P. Landwehr: Mehr kann man ja nicht wirklich tun, man kann ja auch die Kindern nicht zwingen.

G. Böcker: Nein, das kann man nicht.

P. Landwehr: Aber darum geht es ja. Welche Gerichte schmecken den Schülern eigentlich besonders gut? Sie haben ja 90 – oh Entschuldigung – 19 Jahre Erfahrung.

G. Böcker: Oh, 90, das wäre auch schön – lacht – aber vom Prinzip her wie überall. Nudeln, Tomatensoße, Lasagne, Bolognese, Pommes – gibt es ja jetzt auch. Pizza würde natürlich auch gut gehen, aber die gibt es ja bei uns nicht, das können sie dann in der Kantine kaufen. Dann auch mal Hühnerfrikassee oder die Erbsen sind beliebt, dann auch einige Suppen, zum Beispiel Tomatensuppe mit Frikadellen oder sächsische Kartoffelsuppe mit Wiener.

P. Landwehr: Da hätte ich jetzt nicht drauf gewettet.

G. Böcker: Aber sie versuchen immer nur die Würstchen rauszuholen anstatt auch die Soße zu nehmen. Ich sage ja schon immer, dass sie es lassen sollen, aber sie machen es trotzdem.

P. Landwehr: Ja.

G. Böcker: Jedoch, wenn sie es auf den Teller haben, sagen sie dann „Oh, das habe ich gar nicht bemerkt.“

P. Landwehr: Hat sich das irgendwann mal verändert, was die Schüler gerne essen?

G. Böcker: Das ist eigentlich, solange wie ich hier bin essen sie eben gerne Nudeln und Tomatensoße.

P. Landwehr: Aber es war nicht so, dass sie früher besonders gerne Tomatensoße und Nudeln gegessen haben und heute …?

G. Böcker: Nein! Das essen sie eigentlich von jeher.

P. Landwehr: Es bleibt eigentlich immer gleich, was einmal geschmeckt hat, schmeckt immer?

G. Böcker: Doch eigentlich schon.

P. Landwehr: Lasagne haben Sie schon angesprochen, was schmeckt Ihnen persönlich eigentlich besonders gut? Wie sieht es mit Ihnen aus, was ist Ihr Lieblingsgericht?

G. Böcker: Na gut, ich habe ja nun ein paar Kilo Übergewicht, also ich esse eigentlich alles. Das ist ja das Schlimme. Ich habe jetzt nicht ein spezielles Essen. Also ich esse Lasagne auch gerne, aber ich bräuchte sie jetzt nicht jeden Tag.

P. Landwehr: Ich auch nicht.

G. Böcker: Oder auch die Suppen, muss ich auch immer wieder sagen, sind gute Suppen von Appetito. Natürlich, man kann es jetzt nicht mit Zuhause vergleichen …

P. Landwehr: Ist ja klar, so gut geht es ja nicht.

G. Böcker: Aber so vom Geschmack her sind sie recht gut. Und es essen ja bei uns auch ein paar Lehrer mit, ich meine, wenn das Essen jetzt gar nicht schmecken würde, dann würden auch hier vielleicht keine Lehrer essen. Also ich finde, es ist eigentlich eine gute Qualität von Appetito her und manchmal kann man es auch zu Hause nicht besser machen. Wie gesagt, es gibt auch alle Varianten, es gibt panierten Fisch, es gibt gekochten Fisch, es gibt verschiedene Suppen, es gibt vegetarische Gerichte, es gibt verschiedene Beilagen und so. Also eigentlich …

P. Landwehr: Viel Auswahl ist da.

G. Böcker: Ja – Die Kinder können sich eigentlich nicht beklagen.

P. Landwehr: Kochen Sie eigentlich daheim selber oder kocht Ihr Mann? Oder wie ist es bei Ihnen aufgeteilt, oder essen sie abends nochmal warm?

G. Böcker: Ich selber nicht mehr, ich ess’ ja hier meine Mahlzeit und leider muss ich sagen, ich bin schon seit 25 Jahren die Woche über alleine, mein Mann kommt immer erst freitags und dann gibt’s abends für ihn was. Am Wochenende essen wir dann gemeinsam.

P. Landwehr: Hier in der Schule haben wir ja nur noch eine Warmhalteküche, also das Essen kommt fertig vorgekocht. War das schon immer so?

G. Böcker: Ja genau.

P. Landwehr: Das Essen wird hier also nur warmgehalten.

G. Böcker: Nicht warmgehalten, das Essen wird hier aufbereitet. Es wird in einem bestimmten Verfahren eingefroren und wird dann in bestimmten Öfen bzw. im Dämpfer aufbereitet. Das warme Essen selbst kommt von Appetito und von Fremdanbietern kommen noch Desserts und Obst.

P. Landwehr: Was gibt’s heute eigentlich zu essen?

G. Böcker: Heute gibt’s Nudeln, vegetarische Bolognese. Die ist nicht schlecht – aus Weizen und Möhren. Sieht auf den ersten Blick auch aus wie Fleisch, ist es aber nicht. Außerdem gibt es Rindfleischbällchen in Tomatensoße und Zucchini-Kartoffel-Auflauf.

P. Landwehr: Was wählen Sie heute?

G. Böcker: Ich probiere mal den Zucchini-Auflauf, so etwas mache ich auch nur selten zu Hause oder ich esse einfach mal Nudeln und Rindfleischbällchen.

P. Landwehr: Was Ihnen am meisten gefallen hat, darüber haben wir ja schon gesprochen. Was hat Ihnen denn am wenigsten gefallen?

G. Böcker: Na ja wie gesagt, dass die Kinder immer wieder versuchen zu bescheißen, auch wenn wir versuchen, ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihnen aufzubauen. Ich verstehe, dass die Kinder von den Stückwaren manchmal gern mehr nehmen würden, aber sie dürfen sich halt nur ein Schnitzel oder heute z.B. auch nur 4 Rindfleischbällchen nehmen. Das ist eben so. Sie dürfen sich nicht die Teller voll schaufeln und dann landet die Hälfte vielleicht im Abfall. Aber wenn ich Kind wäre, würde ich das vielleicht auch so machen, wenn ich großen Hunger hätte. Ich muss aber sagen, es hält sich alles in Grenzen. Ich weise die Schüler dann immer auf die Schilder hin, auf denen steht, wie viel sie nehmen dürfen und bitte sie, sich beim nächsten Mal daran zu halten.

P. Landwehr: Was können Sie Ihrer Nachfolgerin empfehlen – welche Erkenntnis war wichtig für Sie?

G. Böcker: So wie du den Kindern gegenübertrittst, was du den Kindern gibst, so kommt es auch zurück. Also wenn du freundlich bist oder mitfühlend, dann öffnen sich dir die Kinder auch. Ich hab es immer so gemacht und ich denke, dass ist vielleicht auch etwas, das mich ein bisschen prägt. Also, ich würde ihr weitergeben, dass sie immer ein paar nette Worte für die Kinder hat. Mir ist auch immer mal wieder aufgefallen, dass manchmal Kinder nicht mehr mitessen, die immer mitgegessen haben. Manchmal frage ich sie dann, warum sie nicht mehr mitessen. Da gibt es mehrere Gründe. Manche haben keine Zeit mehr, manchen ist es aber auch zu teuer. Das finde ich dann etwas traurig und sage ihnen, dass ich mich freuen würde, wenn sie wieder mitessen würden. Kinder von Hartz4-Empfängern können auch mitessen und müssen dafür nur 1 € bezahlen.

P. Landwehr: Der Rest wird von der Stadt subventioniert, richtig?

G. Böcker: Nein, das ist nicht mehr so. Es war mal so und das Essen war für Kinder von Hartz4-Empfängern auch mal gratis, weil es von der Stadt gefördert wurde.

P. Landwehr: Was wünschen Sie uns als Schule und den Schülern für die Zukunft?

G. Böcker: Ich fände es gut, wenn noch mehr Schüler mitessen würden. Das würde uns und auch Appetito stärken. Auch wenn hier schon viel Modernisierung stattgefunden hat und vom ganzen Umfeld hier alles ok ist, wäre das für uns gut, für unsere Arbeitszeit, denn je weniger essen, umso weniger Arbeitszeit haben wir.

P. Landwehr: Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft?

G. Böcker: Wenn ich fitter wäre, hätte ich auch noch ein bisschen länger gearbeitet. Aber ich habe 45 Jahre gearbeitet, habe drei Kinder und ein halbes Enkel großgezogen und meine Knochen wollen nicht mehr so, ich habe Artrose. Und da möchte ich fitter werden. Am Montag fange ich an und mache Sport, speziell für meine Gelenke, für meine Knie. Ich möchte Fahrrad fahren und dann auch schwimmen gehen. Ich freue mich darauf, mal was nur für mich zu tun, was in den letzten Jahrzehnten durch Kinder und Arbeit etwas zu kurz gekommen ist.

P. Landwehr: Das ist auch wichtig. Wir wünschen Ihnen auch, dass Sie das schaffen. Ich bedanke mich für das Interview. War interessant und spannend, war mal etwas Neues.

 

Transkript des Interviews erstellt von Pascal Gutjahr und Herrn Breitenstein