“Wenn mir wirklich etwas geschieht, so sollt ihr nicht trauern, sondern sollt ein wenig stolz sein und denken, dass ich dann zu den besonders Auserwählten gehöre, die nur kurz leben und doch genug leben.”

 

Der älteste Sohn des Hamburger Rechtsanwalts und späteren Senators der Freien und Hansestadt Hamburg, Dr. Gustav Hertz, wurde auf dem Namen Heinrich Rudolf getauft, im Familienkreis aber immer nur Heins genannt. Er hatte das Glück, in einem kultivierten und gut situierten Elternhaus aufzuwachsen. Der Vater war ein gebildeter Mann mit humanistisch-liberalen Idealen, die Mutter eine warmherzige Frau, die ihren Kindern viel Verständnis entgegenbrachte.

Der Erstgeborene war der Stolz der Eltern. Schon in den ersten Lebensjahren fiel das Kind durch sein phänomenales Gedächtnis auf. Mit drei Jahren konnte der Junge bereits etwa hundert Fabeln, die ihm die Mutter vorgelesen hatte, aus dem hertz 01bGedächtnis nacherzählen. Bei vielen Gelegenheiten bewies er ein hohes Maß an manueller Geschicklichkeit. Zum zehnten Geburtstag bekam er eine Drechslerbank geschenkt und erhielt bei einem Handwerksmeister Drechselunterricht. Als der Meister Jahrzehnte später erfuhr, das sein ehemaliger Lehrling Professor geworden war, meinte er bedauernd: ” Wie schade, was wäre das für ein prächtiger Drechsler geworden!”In der städtischen Bürgerschule glänzte der Junge “als Stern erster Größe”. Der Lehrer schrieb dem Neunjährigen ins Zeugnis: “Keiner übertrifft ihn an Schnelligkeit und Schärfe der Auffassung”. In allen Fächern war Heinrich Klassenbester – mit einer Ausnahme: im Singen bekam er stets ein “Ungenügend”. In der Poesie fand er den musischen Ausgleich; die Verse von Homer und Dante begleiteten ihn ein Leben lang.
In der Gewerbeschule, die er Sonntags besuchte, lernte der junge Hertz Mathematik und technisches Zeichnen. Damit war seine Lernbegierde aber noch immer nicht befriedigt. Der Vater schickte ihn zu einem Privatlehrer, der ihn auf das humanistische Gymnasium vorbereiten sollte. Im Frühjahr 1875 legte Heinrich an der “Gelehrtenschule” des Johanneums in Hamburg die Reifeprüfung ab. In seinem Zeugnis wurde die scharfe Logik, das sichere Gedächtnis und die Präzision des Ausdrucks hervorgehoben, bemängelt lediglich die “Monotonie des Vortrags”.
Welchen Beruf sollte Hertz ergreifen? Von der Begabung her standen ihm alle Wege offen, er konnte sich aber nur schwer entscheiden. Preußischer Baumeister oder Universitätsprofessor der Naturwissenschaften – das war die Alternative. Er entschied sich zunächst für die falsche Richtung und ging als Praktikant zu einem Baumeister nach Frankfurt / Main. Die Arbeit in einem Baubüro nahe der Frankfurter Paulskirche befriedigte ihn gar nicht. Das Arbeitsmilieu war muffig, kaum ein freundliches Wort wurde gewechselt, und auch im privaten Bereich fühlte er sich ziemlich einsam. Sein einziger Freund war ein Engländer, der in der selben Pension wohnte. So vertrieb sich der Praktikant, misslaunig und vom Heimweh geplagt, die Zeit mit Lesen, Modellieren und Zeichnen. Er studierte die griechischen Klassiker, löste mathematische Aufgaben, lernte Arabisch, beschäftigte sich mit Physik und Physiologie. “Ich mache alles durcheinander, wie ein Verrückter”, schrieb er treffend in sein Tagebuch.Froh, das unbefriedigende Praktikantenjahr hinter sich zu haben, nahm Hertz das Studium der Ingenieurswissenschaften am Polytechnikum in Dresden auf. Seine hochgesteckten Erwartungen erfüllten sich aber nicht. Professoren langweilten ihn, er fühlte sich erdrückt von der Fülle des Lernstoffes. Nach fünf Monaten verließ er Dresden, um in Berlin seinen einjährigen Militärdienst abzuleisten. Der auf die Wissenschaft versessene junge Mann konnte dem Kasernenleben und dem preußischen Drill wenig abgewinnen.

Mit dem Einverständnis der Eltern sattelte er auf die Naturwisshertz 01aenschaften um, belegte Mathematik, Physik, Zoologie und Astronomie, studierte Newtons Werke und die Arbeiten von Leibnitz. Zum ersten Mal fühlte sich Hertz nun in seinem Element. Nach einem Jahr wechselte er noch einmal die Universität und verließ München in Richtung Berlin. Dort lehrten damals die großen Physiker Herman von Helmholtz (1821-1894) und Robert Kirchhoff (1824-1887). Sie nahmen den begabten Stundenten Hertz unter ihre Fittiche und förderten ihn nach Kräften. Ein Jahr später erhielt er für die Lösung einer Preisaufgabe die Goldmedaille der Humbold-Universität.
Nach der Promotion bot Helmholtz ihm die Stelle eines Forschungs- und Vorlesungsassistenten an. Er nutzte diese Chance. Nach der Habilitation an der Universität Kiel erhielt Hertz im Sommer des Jahres 1885 einen Ruf an die Technische Hochschule in Karlsruhe. Das Physikalische Institut mit seiner modernen apparativen Ausstattung bot dem Lehrstuhlinhaber optimale Arbeitsbedingungen. Nun konnte er sich einen langgehegten Wunsch erfüllen: den experimentellen Nachweis der elektromagnetischen Wellen, deren Existenz der englische Physiker James Clerk Maxwell (1831 – 1879) bereits theoretisch vorrausgesagt hatte. Seine Hypothese über das elektromagnetische Feld sagte aus, dass eine schwingende elektromagnetische Störung, also zum Beispiel eine Funkenentladung, elektromagnetische Wellen erzeugen müsse, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten würden. Diese Annahme war in Fachkreisen heftig umstritten, zumal sie von Maxwell nicht experimentell bewiesen werden konnte.Hertz gelang dieser Nachweis mit einer verhältnismäßig einfachen Versuchsanordnung. Er verband eine Spule mit zwei Metallkugeln, die im Abstand von etwa zehn Millimetern nebeneinander angeordnet waren. Wurden die Kugeln elektrisch aufgeladen, sprang ein Funke von einer Kugel zur anderen. Im Abstand von etwa einem Meter montierte Hertz eine Drahtschlinge, an der ebenfalls zwei Metallkugeln befestigt waren. Jedes mal, wenn zwischen dem ersten Kugelpaar ein Funke übersprang, geschah das auch beim zweiten Kugelpaar, obwohl keine feste Verbindung bestand. Damit konnte Hertz im Herbst des Jahres 1886 erstmals den Nachweis dafür liefern, dass es tatsächlich elektromagnetische Wellen gibt, die sich durch die Luft fortpflanzen. Dies war die Geburtsstunde des Rundfunks. Noch heute erinnert die Bezeichnung „Funk“ an dieses Hertzsche Experiment, obwohl man zur Übertragung von Radiowellen schon längst keine überspringende Funken mehr benötigt. In den nächsten drei Jahren erforschte Hertz eingehend die Eigenschaften dieser elektromagnetischen Wellen. Er untersuchte die Interferenz und die Reflexion, die Polarisation und die Beugung der Wellen. Er konnte beweisen, dass ihre Ausbreitungsgeschwindigkeit identisch ist mit der des Lichts und dass das Licht nichts anderes ist als eine besondere Form elektromagnetischer Wellen. Merkwürdigerweise scheint er von der enormen Bedeutung seine Entdeckung, die schließlich zur Erfindung des Radios und des Fernsehers führte, nichts geahnt zu haben. Im letzten Karlsruher Jahr faßte Hertz seine Arbeitsergebnisse in einem Werk zusammen mit dem Titel: „Über Strahlen elektrischer Kraft.“ Hertz´ Entdeckung der elektrischen Wellen fand in der Fachwelt große Anerkennung, sein Name wurde weltberühmt. Die Royal Society lud ihn nach London ein, wo er mit den großen englischen Physikern zusammentraf. Die Berufung häufen sich. Gießen, Berlin und Bonn standen in der engeren Wahl. Hertz wählte kurzentschlossen Bonn, weil er hier in das schöne Haus seines Amtsvorgängers Rudolf Clausius´ (1822-1888) einziehen konnte. In der Forschung beschäftigte er sich weiter mit den Fernwirkungen der Elektrizität. Die Ergebnisse hatten für spätere technische Entwicklungen große Bedeutung. So führte seine Erkenntnis, dass Kathodenstrahlen dünne Metallschichten durchdringen, ohne die Eigenschaften zu verlieren, sich geradlinig auszubreiten, wenige Jahre später zur Entdeckung der Röntgenstrahlen. Diese Tatsache, dass elektromagnetische Strahlen polarisiert und reflektiert werden können, war die Grundlage zur Entwicklung des Radars. Der von Hertz entdeckte Photoeffekt, nämlich das Herauslösen von Elektronen aus dem Inneren eines Festkörpers bei Bestrahlung mit ultraviolettem Licht, begründete einen neuen Zweig der Physik: die Halbleitertechnik.
Viel Zeit blieb ihm nicht mehr für die Fortführung seiner Forschungen; immer häufiger plagten ihn die Folgen einer zu spät erkannten, von den Zähnen ausgehenden Infektion. Nach mehreren Operationen verschlechterte sich sein Gesundheitszustand rapide. Am 7. Dezember des Jahres 1893 hielt Hertz seine letzte Vorlesung, drei Wochen später starb er, noch nicht einmal siebenunddreißig hertz 01Jahre alt, in seinem Haus in Bonn. Er hinterließ eine junge Frau und zwei kleine Töchter. Wenige Tage vor seinem Ende hatte er noch vorrausahnend an seine Eltern geschrieben: “Wenn mir wirklich etwas geschieht, so sollt ihr nicht trauern, sondern sollt ein wenig stolz sein und denken, dass ich dann zu den besonders Auserwählten gehöre, die nur kurz leben und doch genug leben.”Eine Ehrung besonderer Art widerfuhr Hertz zwei Jahre nach seinem Tode. Der russische Physiker Alexandr Popow (1859-1906), Erfinder der Antenne, funkte im ersten gelungenen Versuch der drahtlosen Telegraphie, in der ersten Übertragung von Morsezeichen über eine größere Entfernung hinweg, den Namen jenes von ihm am meisten bewunderten deutschen Kollegen: Heinrich Hertz.

Quelle: “Mein Name ist Becquerel – wer den Maßeinheiten den Namen gab.”
Dr. Ernst Schwenk – dtv sachbuch 30358 (Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors)

Lebensleistung des Physikers Heinrich Rudolph HertzWas andere Forscher vor ihm nur vermutet und theoretisch-mathematisch berechnet hatten, das machte er sichtbar. Er wies mit seinen Experimenten die Existenz elektromagnetischer Wellen nach, ohne die es weder drahtlose Telegrafie, Radio, Fernsehen noch Mobilfunk gäbe. Die Lebenleistung des deutschen Physikers kurz notiert:

– Er bestätigte durch Untersuchungen über die Ausbreitung elektrischer Wellen die Theorien des englischen Physikers James Clerk Maxwell (1831 – 1879). Seine Entdeckung der Hertz´schen Wellen ist eine der Grundlagen für die Entwicklung der Funktechnik. Maxwells Gleichungen für die elektromagnetischen Felder erlaubten ihm Folgerungen, an die ihr Urheber noch gar nicht gedacht hatte.

– Die Wichtigste: Elektromagnetische Wechselfelder können sich im leeren Raum fortpflanzen. Heinrich Hertz versuchte diese Folgerung praktisch zu verwirklichen. Er erkannte, dass es elektrische Schwingungen hoher Frequenz braucht, um intensive elektromagnetische Wellen zu erzeugen. Er benutzte dabei ein erstaunlich einfaches Schwingsystem. Im Wesentlichen bestand es aus einer Dipolantenne und einer Funkenstrecke und strahlte Wellen von ein paar Dezimetern Länge ab.

– Der Empfänger war eine Dipolantenne, deren elektrische Schwingungen mit Hilfe einer Funkenstrecke nachgewiesen wurden. Es gelang Hertz, Signale quer durch einen Hörsaal zu senden und zu empfangen. Die Wellennatur der Signale wies er nach, indem er stehende Wellen untersuchte. Diese entstehen, wenn sich Wellen, die senkrecht auf einen Reflektor einfallen, mit der reflektierten Welle überlagern.

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Damit waren die Grundlagen der Funktechnik gelegt. Der Deutschlandfunk sendete am 22.02.2007 zum 150. Geburtstag von Heinrich Hertz ein “Kalenderblatt”.